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Faith in Science?
#2
RE: Faith in Science?
I took the liberty to post the original because it is easier for me to read and it just flows so naturally in comparison.


Inwiefern auch wir noch fromm sind. – In der Wissenschaft haben die Ueberzeugungen kein Bürgerrecht, so sagt man mit gutem Grunde: erst wenn sie sich entschliessen, zur Bescheidenheit einer Hypothese, eines vorläufigen Versuchs-Standpunktes, einer regulativen Fiktion herabzusteigen, darf ihnen der Zutritt und sogar ein gewisser Werth innerhalb des Reichs der Erkenntniss zugestanden werden, – immerhin mit der Beschränkung, unter polizeiliche Aufsicht gestellt zu bleiben, unter die Polizei des Misstrauens. – Heisst das aber nicht, genauer besehen: erst, wenn die Ueberzeugung aufhört, Ueberzeugung zu sein, darf sie Eintritt in die Wissenschaft erlangen? Fienge nicht die Zucht des wissenschaftlichen Geistes damit an, sich keine Ueberzeugungen mehr zu gestatten?... So steht es wahrscheinlich: nur bleibt übrig zu fragen, ob nicht, damit diese Zucht anfangen könne, schon eine Ueberzeugung da sein müsse, und zwar eine so gebieterische und bedingungslose, dass sie alle andren Ueberzeugungen sich zum Opfer bringt. Man sieht, auch die Wissenschaft ruht auf einem Glauben, es giebt gar keine "voraussetzungslose" Wissenschaft. Die Frage, ob Wahrheit noth thue, muss nicht nur schon vorher bejaht, sondern in dem Grade bejaht sein, dass der Satz, der Glaube, die Ueberzeugung darin zum Ausdruck kommt "es thut nichts mehr noth als Wahrheit, und im Verhältniss zu ihr hat alles Uebrige nur einen Werth zweiten Rangs". – Dieser unbedingte Wille zur Wahrheit: was ist er? Ist es der Wille, sich nicht täuschen zu lassen? Ist es der Wille, nicht zu täuschen? Nämlich auch auf diese letzte Weise könnte der Wille zur Wahrheit interpretirt werden: vorausgesetzt, dass man unter der Verallgemeinerung "ich will nicht täuschen" auch den einzelnen Fall "ich will mich nicht täuschen" einbegreift. Aber warum nicht täuschen? Aber warum nicht sich täuschen lassen? – Man bemerke, dass die Gründe für das Erstere auf einem ganz andern Bereiche liegen als die für das Zweite: man will sich nicht täuschen lassen, unter der Annahme, dass es schädlich, gefährlich, verhängnissvoll ist, getäuscht zu werden, – in diesem Sinne wäre Wissenschaft eine lange Klugheit, eine Vorsicht, eine Nützlichkeit, gegen die man aber billigerweise einwenden dürfte: wie? ist wirklich das Sich-nicht-täuschen-lassen-wollen weniger schädlich, weniger gefährlich, weniger verhängnissvoll: Was wisst ihr von vornherein vom Charakter des Daseins, um entscheiden zu können, ob der grössere Vortheil auf Seiten des Unbedingt-Misstrauischen oder des Unbedingt-Zutraulichen ist? Falls aber Beides nöthig sein sollte, viel Zutrauen und viel Misstrauen: woher dürfte dann die Wissenschaft ihren unbedingten Glauben, ihre Ueberzeugung nehmen, auf dem sie ruht, dass Wahrheit wichtiger sei als irgend ein andres Ding, auch als jede andre Ueberzeugung? Eben diese Ueberzeugung könnte nicht entstanden sein, wenn Wahrheit und Unwahrheit sich beide fortwährend als nützlich bezeigten: wie es der Fall ist. Also – kann der Glaube an die Wissenschaft, der nun einmal unbestreitbar da ist, nicht aus einem solchen Nützlichkeits-Calcul seinen Ursprung genommen haben, sondern vielmehr trotzdem, dass ihm die Unnützlichkeit und Gefährlichkeit des "Willens zur Wahrheit", der "Wahrheit um jeden Preis" fortwährend bewiesen wird. "Um jeden Preis": oh wir verstehen das gut genug, wenn wir erst einen Glauben nach dem andern auf diesem Altare dargebracht und abgeschlachtet haben! – Folglich bedeutet "Wille zur Wahrheit" nicht ich will mich nicht täuschen lassen", sondern – es bleibt keine Wahl – "ich will nicht täuschen, auch mich selbst nicht": – und hiermit sind wir auf dem Boden der Moral. Denn man frage sich nur gründlich: "warum willst du nicht täuschen?" namentlich wenn es den Anschein haben sollte, – und es hat den Anschein! – als wenn das Leben auf Anschein, ich meine auf Irrthum, Betrug, Verstellung, Blendung, Selbstverblendung angelegt wäre, und wenn andrerseits thatsächlich die grosse Form des Lebens sich immer auf der Seite der unbedenklichsten ποιιτφοποι gezeigt hat. Es könnte ein solcher Vorsatz vielleicht, mild ausgelegt, eine Don Quixoterie, ein kleiner schwärmerischer Aberwitz sein; er könnte aber auch noch etwas Schlimmeres sein, nämlich ein lebensfeindliches zerstörerisches Princip... "Wille zur Wahrheit" – das könnte ein versteckter Wille zum Tode sein.- Dergestalt führt die Frage: warum Wissenschaft? zurück auf das moralische Problem- wozu überhaupt Moral, wenn Leben, Natur, Geschichte "unmoralisch" sind? Es ist kein Zweifel, der Wahrhaftige, in jenem verwegenen und letzten Sinne, wie ihn der Glaube an die Wissenschaft voraussetzt, bejaht damit eine andre Welt als die des Lebens, der Natur und der Geschichte; und insofern er diese "andre Welt" bejaht, wie? muss er nicht eben damit ihr Gegenstück, diese Welt, unsre Welt – verneinen?... Doch man wird es begriffen haben, worauf ich hinaus will, nämlich dass es immer noch ein metaphysischer Glaube ist, auf dem unser Glaube an die Wissenschaft ruht, – dass auch wir Erkennenden von heute, wir Gottlosen und Antimetaphysiker, auch unser Feuer noch von dem Brande nehmen, den ein Jahrtausende alter Glaube entzündet hat, jener Christen-Glaube, der auch der Glaube Plato's war, dass Gott die Wahrheit ist, dass die Wahrheit göttlich ist... Aber wie, wenn dies gerade immer mehr unglaubwürdig wird, wenn Nichts sich mehr als göttlich erweist, es sei denn der Irrthum, die Blindheit, die Lüge, – wenn Gott selbst sich als unsre längste Lüge erweist? –


Interesting though, he does not seem to question the ability of science to pursue truth here but takes that - and what it means to pursue truth, as a given. His question of faith is situated at a deeper level, apparently - whether the pursuit of truth is useful and recommended in the first place. That is not what most people mean today when it is argued that science requires faith. Nietzsche doesn't seem to talk all that specifically about science, is my impressjon.
The fool hath said in his heart, There is a God. They are corrupt, they have done abominable works, there is none that doeth good.
Psalm 14, KJV revised edition

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Faith in Science? - by Mudhammam - October 29, 2014 at 4:23 pm
RE: Faith in Science? - by Alex K - October 29, 2014 at 6:59 pm
RE: Faith in Science? - by Mudhammam - October 29, 2014 at 11:31 pm
RE: Faith in Science? - by JuliaL - October 30, 2014 at 2:28 am
RE: Faith in Science? - by Alex K - October 30, 2014 at 2:44 am
RE: Faith in Science? - by bennyboy - October 29, 2014 at 7:30 pm
RE: Faith in Science? - by Christian - October 29, 2014 at 8:32 pm
RE: Faith in Science? - by Jackalope - October 29, 2014 at 8:38 pm
RE: Faith in Science? - by bennyboy - October 29, 2014 at 9:23 pm
RE: Faith in Science? - by JuliaL - October 29, 2014 at 9:57 pm
RE: Faith in Science? - by bennyboy - October 30, 2014 at 1:03 am
RE: Faith in Science? - by Mudhammam - October 30, 2014 at 2:39 am
RE: Faith in Science? - by bennyboy - October 30, 2014 at 9:29 am
RE: Faith in Science? - by Alex K - October 30, 2014 at 2:32 am
RE: Faith in Science? - by JuliaL - October 30, 2014 at 3:54 am
RE: Faith in Science? - by TreeSapNest - October 30, 2014 at 3:11 pm

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